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Antje Hinrichs (16.1.1940 bis 27.10.1944)

Dr. Ortrud von Lamezan tötete Ende Oktober 1944 Antje Hinrichs (16.1.1940 bis 27.10.1944). Am 10.10.1944 erkrankte das Kind, dem man eine »mittlere Idiotie« bescheinigte, laut Thevs an Scharlach und man verlegte Antje auf die Infektionsabteilung zu von Lamezan. Dr. Lotte Albers, die das Kind bis dahin in ihrer »Obhut« hatte, verließ das KKR Ende September 1944. Trotz der akuten Infektion hat man die sehr eingreifenden und quälenden Untersuchungen fortgeführt. Im Ergebnis hielt man fest, dass das Kind nicht anders als sonst war, keine Lähmungen aufwies und die Reflexe gut auslösbar waren. Was dann geschah, beschrieb von Lamezan selbst während einer Vernehmung: »In der Station interne Chirurgie lag im Herbst 44 ein idiotisches Kind namens Antje Hinrichs. Stationsärztin auf dieser Station war Frl. Dr. Albers. Zu jener Zeit hatte ich die Infektionsabteilung (Scharlach, Diphtherie und Keuchhusten). Stationsschwester war Felicitas Holzhausen. Das Kind wurde mir auf die Station gelegt, da es Scharlach bekam. Frl. Dr. Albers legte mir das Kind auf die Station und sagte mir, daß Antje Hinrichs ein Reichsausschußkind sei. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich von einem Reichsausschußverfahren und einer Euthanasie noch nichts gesehen und gehört. Frl. Dr. Albers, die Vollassistentin war, sagte mir, wenn die Genehmigung aus Berlin komme, dann müßte ich dem Kind eine Spritze von 10 ccm Luminal geben, dabei wiederholte sie noch, daß dieses alles gesetzlich sei. Frl. Dr. Albers trug mir alles in sehr energischer Weise vor. Für Antje Hinrichs habe ich den Antrag bei dem Reichsausschuß in Berlin nicht gestellt. Dieser muss bereits von anderer Seite gestellt worden sein, denn wenige Zeit später erhielt ich einen Zettel, auf dem die Worte standen: ›Genehmigung für Antje Hinrichs liegt vor!‹ Ob dieser Zettel von Dr. Bayer geschrieben war, oder von dem Vorzimmer, von Frau Frenz ausgestellt war, weiß ich heute nicht mehr. Ich habe Dr. Bayer nicht über die Gesetzmäßigkeit der ›Euthanasie‹ gefragt, weil ich als Pflicht assistentin die Erklärung der Vollassistentin Dr. Albers in ihrer Stellung ohne weiteres als zutreffend ansah. […] Ich habe sodann zu der Stationsschwester Holzhausen gesagt, daß die Genehmigung vorliege. Schwester Holzhausen wußte über diese Sachen Bescheid. Ich schrieb ein Rezept über 10 ccm Luminal und ließ dieses an die Hausapotheke gehen und erhielt 10 Ampullen Luminal ausgehändigt. […] Auf dem Rezept wurde nicht vermerkt, für welches Kind das Medikament in Anspruch genommen würde. Das Rezept war lediglich ein Beleg für die Apotheke zum Nachweis, welche Station welches Medikament in Empfang genommen hat. […] Ich habe mich dann im Oktober 1944 eines Tages zur Mittagszeit mit der Stationsschwester Holzhausen in das Zimmer begeben, in dem Antje Hinrichs lag. Die Schwester Holzhausen hielt das Kind, das weiß ich genau, und ich habe Antje Hinrichs die Spritze von 10 ccm Luminal in den oberen Quadranten des Gesäßes gegeben. Daß die Spritze tödlich wirken würde, war mir bekannt. Frl. Dr. Albers hatte mir gesagt, daß die Kinder nach der Luminal-Injektion eine Pneumonie bekommen würden und ich glaube mich zu erinnern, daß Frl. Dr. Albers mir gesagt hatte, ich solle die Verabfolgung der Luminal-Injektion nicht in der Krankengeschichte vermerken. Genau weiß ich aber, daß sie mir sagte, ich hätte auf dem Totenschein als Todesursache ›Pneumonie‹ anzugeben.«

 

Mehr zu ihr in: Andreas Babel: Kindermord im Krankenhaus, Edition Falkenberg, 1. Auflage 2015, S. 127 bis 128, 3. Auflage 2021, S. 161 bis 163, sowie in: Hildegard Thevs: Stolpersteine in Hamburg-Rothenburgsort, S. 188 bis 191.

 

 

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