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Helene Sonnemann (1911 bis 1998)

Die gebürtige Flensburgerin Helene Sonnemann ließ sich 1943 in Celle nieder, wo sie zur Chefin der dortigen Kinderklinik und stellvertretenden Ärztlichen Leiterin des Allgemeinen Krankenhauses aufstieg. Sie heiratete 1952 den ehemaligen Hitler-Adjutanten Fritz Darges, der Kreisgeschäftsführer des Deutschen Roten Kreuzes wurde, hieß fortan Darges-Sonnemann und gehörte zur „besseren Gesellschaft“ des

Heidestädtchens. Sie hat als Stellvertreterin des Krankenhausleiters im KKR mindestens 12 Kinder getötet. Im Hochsommer 1943 führte sie 200 aus dem KKR evakuierte Patienten zusammen mit einigen Ärztinnen und etwa 60 Krankenschwestern nach Celle, wo ihr eine Oberarztstelle in der dortigen Kinderklinik angeboten wurde. Sie sah hier bessere Karrierechancen als in Hamburg unter Wilhelm Bayer und blieb. In Celle wurden in der Kinderklinik keine behinderten Kinder getötet. Sonnemann gab aber an, dass sie die fraglichen Fälle allesamt meldete. Die kleingewachsene, von Hugenotten abstammende Frau, deren Vater ein von den Nationalsozialisten angeblich distanzierter Universalgelehrter war (der aber als Vermessungsbeamter arbeitete), änderte ihre Haltung Behinderten gegenüber ihr ganzes Leben nicht und wollte sich als Ärztin mit Menschen, denen sie nicht helfen konnte, auch nicht abgeben. Sie starb, nachdem sie dement geworden war und auf einen Rollstuhl angewiesen war, 1998 in Celle, wo sie lange hoch verehrt wurde.

 

Mehr zu ihr in: "Kindermord im Krankenhaus" von Andreas Babel (3. Auflage 2021), ​S. 42 bis 67.

Während ihr späterer Mann, Fritz Darges (links), auf dem Obersalzberg als Adjutant Adolf Hitlers tätig ist, ...
... posiert seine spätere Frau, Dr. Helene Sonnemann (Dritte von rechts), mit anderen Assistenzärztinnen Anfang der 1940er Jahre vor dem Kinderkrankenhaus Rothenburgsort (KKR). Die beiden heirateten 1952.
Hier ist sie wieder die Dritte von rechts.
Hinter diesen beiden Figuren im Celler Garnisonmuseum hing bis Ende 2009 das Kriegsverdienstkreuz von Helene Sonnemann in einem Bilderrahmen an der Wand.
Ihr Mann, Fritz Darges, hatte es vier Jahre nach ihrem Tod dem Museum zur Verfügung gestellt. Es wurde nach einer Artikelserie in der CZ und dem Bekanntwerden der Hamburger Vorgeschichte dieser Frau abgehängt.
Begleitschreiben aus dem Kinderkrankenhaus Rothenburgsort zur Verleihung des Kriegsverdienstkreuzes an Helene Sonnemann.
Diesen von der Ärztin 1962 selbst verfassten beruflichen Lebenslauf hat Fritz Darges dem Museum ebenfalls zur Verfügung gestellt.
Und dann hatte der ehemalige Hitler-Adjutant auch noch diesen "Epilog", einen verherrlichenden Nachruf, auf seine Frau geschrieben, den er ebenfalls dem Garnisonmuseum überließ.
Am 15.3.1961 brachte die CZ dieses Bild, auf dem neben den in der Bildunterschrift Genannten rechts auch Celles Oberbürgermeister Wilhelm Heinichen zu sehen ist.
Dieses Bild aus dem Jahr 1960 hing lange im Wartebereich der Notaufnahme des Allgemeinen Krankenhauses (AKH) Celle.  Die kleingewachsene, schwarzhaarige Sonnemann ist gut zu erkennen, auch an ihrer typischen Handhaltung, weil sie oft die linke mit der rechten Hand umschließt. Das Bild zeigt den Umzug in die neue Kinderklinik.
Die CZ berichtete auch von der Verabschiedung des Medizinerin im Frühjahr 1976, als sie preußisch korrekt zu ihrem 65. Geburtsjahr ausschied. Ihr Mann wollte ihren Ruhestand offenbar gemeinsam mit ihr genießen, denn er schied ebenfalls im Frühjahr 1976 als Celler DRK-Kreisgeschäftsführer aus, obwohl er erst 62 Jahre alt war. Seinen Ruhestand genoss dieser Mann noch 33 Jahre lang.
Links neben Sonnemann sitzt bei deren Verabschiedung Celles langjähriger Landrat Hubertus Bühmann aus Schelploh.
Während Sonnemann auch mit 65 Jahren noch schwarzes Haar hatte, war ihr Mann schon weiß geworden.
Und wieder die typische Handhaltung: Als junge Ärztin 1948 in Celle mit dem Leiter der Kinderklinik, Dr. Jessen (rechts neben ihr) und Dr. Nierhoff.
Bei der Feier eines Schwesternexamens 1958 in Celle. Links der Celler Kinderarzt Andree, ganz rechts Elisabeth Heiser-Pape, die sich sehr gut mit ihrer langjährigen Chefin verstand.
Das Bild links und die beiden darüber sollen im Jahr 1948 in Celle entstanden sein.
Dieses Bild soll die Ärztin zu ihrem 70. Geburtstag im Jahr 1981 verschickt haben. Sie war eigentlich Linkshänderin, hält den Stift offenbar nur fürs Foto in der rechten Hand. Sie konnte aber mit beiden Händen operieren. Die Haare sind immer noch dunkel.
Zu dem Vater dieses 1974 geborenen Babys, einem angesehenen Celler Geschäftsmann, sagte Sonnemann: "Aus dem Kind wird nichts". Der Vater suchte sich anderen medizinischen Rat.
Das Mädchen wuchs in Wietze auf, behütet auch von den Großeltern. Es schaffte später seinen Hauptschulabschluss, starb im Jahr 2001 an Kreislaufversagen.
Das Foto sieht noch über 70 Jahre nach seinem Entstehen so aus wie neu: Helene Sonnemann mit Schwester Harriet Stolzenberg, die später den Arzt Schulze aus Altona heiratete und seinen Namen annahm. Leider ist über sie nichts weiter bekannt. Das Foto hatte mir Margarethe Veth überlassen, die dort Schwester war und die Tochter des langjährigen Verwaltungsleiers Wilhelm Meis.

Hier ist heute die Kinderstation des Allgemeinen Krankenhauses Celle untergebracht.

In dieser in den 1950er Jahren in Sichtweite der Celler Kinderklinik erbauten Doppelhaushälfte an der Schlepegrellstraße lebte die Ärztin bis zu ihrem Tod im Jahre 1998. Ihr Mann Fritz Darges lebte hier bis zu seinem Tod 2009. In die Gitterstäbe vor den kleinen Fenstern links und rechts der Eingangstür waren die Buchstaben D
(für Darges) und S (für Sonnemann). Die Nachbesitzer ließen die Buchstaben entfernen.

Bevor sie 70 Jahre alt geworden war, sah die Medizinerin noch robust aus.

Dieses anlässlich ihres 70. Geburtstages 1981 veröffentlichte Bild zeigt, dass die Ärztin schon etwas gebrechlicher geworden war.

Und so sah Dr. Helene Darges-Sonnemann 1996/1997 aus, also kurz vor ihrem Tod im Jahre 1998, hier zusammen mit ihrer damaligen Betreuerin, die 2015 auch schon verstorben war. Die ehemalige Ärztin und deren Mann, der einstige Hitler-Adjutant Fritz Darges, hielten sich häufiger im Haus ihrer Angestellten auf, wo sie sogar gemeinsam Weihnachten feierten, was die Tochter der ehemaligen Betreuerin Mitte der 2010er Jahre mit Entsetzen feststellte. Die folgenden Fotos stammen aus ihrer Sammlung. Die Tochter der Betreuerin übergab mir die Fotos vor meinem Vortrag am 8. Juni 2016 im Kantoreisaal der Stadtkirchengemeinde Celle.

Am 28.1.2019 berichtete der Hermannsburger Dr. Albrecht Schack bei einem meiner Vorträge in der Aula des Christian-Gymnasiums in Hermannsburg von einem Besuch mit der vierjährigen, 1967 geborenen Tochter im Jahr 1971 bei Dr. Darges Sonnemann in der Kinderklinik des AKH. Das Mädchen hatte Husten und den Eltern kam es komisch vor, dass die kalte Ärztin, so Schack, das Kind sich völlig entkleiden und auf eine "Bahre", also eine Untersuchungsliege, legen ließ. Da sich die Medizinerin so abweisend verhielt, gingen sie nie wieder zu ihr.

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Zuvor hatte eine ehemalige Kinderkrankenschwester, die Anfang der 1970er Jahre bei Darges-Sonnemann gelernt hatte, eine Frau Köttermann o.s.ä., von einer anderen Auszubildenden berichtet, die ein Kind von einem britischen Soldaten erwartete und sich Hilfe suchend an die Leiterin der Kinderklinik wandte. Die Kinderärztin verwies die junge Frau an den Celler Gynäkologen Heinrich Bunke, der eine Praxis an der Stechbahn in Celle hatte. "Er hatte ja auch eine NS-Vergangenheit", sagt die Besucherin des Vortrags. Und damit hat sie recht: Bunke hat einige Tausend Menschen mit auf dem Gewissen, denn er arbeitete während des Krieges in der Tötungsanstalt Bernburg und hakte Listen vor der Gaskammer ab. Außerdem "belieferte" er den Hirnforscher Hallervorden mit Gehirnen von Häftlingen, die dieser "bestellt" hatte. Er "markierte" die Häftlinge, die vorm Verbrennen seziert werden sollten, mit einem großen roten Kreuz auf dem Rücken. In hohem Alter wurde  Bunke in Frankfurt wegen dieser Taten verurteilt und musste einige Monate hinter Gitter. Zuvor hatten 5000 Celler ihre Unterschrift auf eine Liste gesetzt, mit der sie forderten, dass Bunke als Frauenarzt in Celle weiter praktizieren dürfe. Der gebürtige Wohlder starb mit über 85 Jahren im Jahr 2001. Die Junge Frau ging tatsächlich zu Bunke. Der fragte sie, als er erfuhr, dass der Erzeuger ein Schwarzer war: "Sie wollen das doch nicht etwa austragen?" Als die werdende Mutter das hörte, verließ sie die Praxis. Ihr war wohl schlagartig klar geworden, dass sie dieses Kind in einer Zeit zur Welt bringen musste, in der solche Altnazis immer noch etwas zu sagen hatten. Die Frau, die dieses vor den Abiturienten des CGH berichtete, hatte ihre Mitauszubildende später aus den Augen verloren.

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